Soccer City. Das Stadion, dass ich schon bei der WM in Südafrika 2010 immer bewundert habe. Zu Spiel zweier regionalen Rivalen, dem Soweto Derby. Nach meinem abenteuerlichen Weg zum Stadion und dem erfolgreichen Erwerb einer Eintrittskarte wollte ich auch ins Stadion um Spiel und Stimmung zu erleben.

Das hier ist die Geschichte, wie ich es geschafft habe mir da das lokale Derby zwischen den Kaizer Chiefs und den Orlando Pirates anzusehen. Und weil es eine lange Geschichte ist, kommt sie in 3 Teilen daher.

Stau am Drehkreuz

Frisch eine Karte von einem extrem vertrauensunwürdigen Schwarzmarkthändler erworben (siehe Teil 1), machte ich mich auf den Weg ins Stadion. Gemeinsam mit meinen neuen Freunden, dem Pärchen in Trikots der beiden Gegner. Und so schoben wir uns durch die Menschenmassen. Es war wirklich unglaublich voll.

Zuerst gab es eine Vorkontrolle, in der nur Leute mit Karte durchgelassen wurden. Ich würde jetzt behaupten, dass Rucksäcke nach Sprengstoff durchsucht wurden, ich kann mich aber ehrlich gesagt überhaupt nicht mehr erinnern. Ich weiß, dass jemand kontrolliert hat, ob Du ein Ticket hast oder nicht. Alles übrige (möglich ist die Sprengstoff-Geschichte durchaus) ist meiner Wahrnehmung entgangen, weil es wirklich ein Erlebnis für sich war da anzustehen. Ein Gedränge und Geschubse und alles irgendwie sehr laut. Die Atmosphäre war vor Vorfreude elektrisiert. Und obwohl das alles sehr befremdlich auf mich wirkte, so war es eben auch sehr friedlich.

Meine beiden Freunde hielten die ganze Zeit ein Auge auf mich. Nicht eine Sekunde hatte ich Angst vor irgendwas. Im Gegenteil, wie berauscht glitt ich durch die Massen, obwohl ich mich deutlich als Fremdkörper fühlte. Aber eben geduldet.

Nach dieser ersten Kontrolle mussten wir noch ein bisschen gehen und dann gab es rund ums Stadion Drehkreuze. Anschließend wieder ein paar Meter um dann letztlich den Eingang ins Stadion zu Deinem Block zu suchen.

Am Drehkreuz gibst Du Deine Karte einer Frau, zumindest war es in meinem Fall eine Frau. Die Kartenkontrolleurin kontrolliert dann die Karte, indem sie diese unter einen Scanner hält. Der leuchtet dann grün, sie reißt die Hälfte der Karte ab, gibt sie Dir wieder und Du kannst durch das Drehkreuz. So war das bei allen. Nur bei mir nicht. Bei mir leuchtete der Scanner nämlich gelb. Und auf dem Display stand „Invalid“. Fake-Ticket. Super.

Und während sich in mir wieder ein gewisses Unwohlsein breit machte, wurde es mächtig unruhig um mich herum. Die Abreißdame hielt die Karte immer und immer wieder unter den Scanner (mit immer gleichem Ergebnis). Meine Freunde redeten durch das Drehkreuz auf sie ein. Hinter mir hörte ich mehr und mehr Palaver. Irgendwann fingen die hinter mir an zu pöbeln. Ich überlegte wie ich mich jetzt am besten in Luft auflösen könnte und habe mein Abenteuer bereits als Gescheitert erklärt, da wurde es um mich herrum richtig aggressiv. Es wurde laut diskutiert und geschrien, alles in Zulu, der afrikanischen Sprache, der ich nunmal nicht mächtig bin.

Und kurz bevor ich wirklich Panik bekam, zwängte sich plötzlich die kleine dicke Frau hinter mir an mir vorbei, gibt ihr Ticket ab und stellt sich in das Drehkreuz. Und wartet. Die Abreißdame (!), der kleine ältere Mann hinter mir und meine Freunde auf der anderen Seite sagten mir dann ich solle mich mit ihr gemeinsam durch das Drehkreuz quetschen. Ich quetschte und war baff.

Die waren zwar alle aggressiv, haben aber alle zu meinen Gunsten mit der Abreißdame diskutiert. Alle haben sich Mühe gegeben, dass ich in dieses Stadion komme. Unfassbar. Die Frau, die mich „reingeschmuggelt“ hat, beschwerte sich noch während ich ihr um den Hals fiel, über diese Verbrecher, die gefälschte Tickets verkaufen, sie sich aber freue, dass ich dabei wäre und ein schönes Spiel haben soll. Niemals würde sowas in Deutschland passieren.

Freie Platzwahl

Auf der anderen Seite des Drehkreuzes wurde mir bewusst, dass ich eben nicht nur geduldet bin, sondern herzlich willkommen. Alle Leute im Stadion waren unglaublich positiv. Ich wurde abgeklatscht, fotografiert, habe gefotobombt, wurde gefotobombt, Menschen grinsten mich an, unterhielten sich mit mir, es schien als wären alle froh das ich da war. Meine Freunde mussten in einen anderen Block als ich. Nur weil ich ein Fake-Ticket hatte, heißt das natürlich nicht, dass ich mich nicht danach richte was drauf steht.

Also sagte ich meinen Freunden auf Wiedersehen. Wir tauschten Nummern aus und einigten uns auf ein wiedertreffen nach dem Spiel, zumindest vielleicht. ER machte noch Witze, bezüglich wer gewinnt und ob er auf dem Sofa schlafen müsse oder nicht. Tolle Menschen. Wir fielen uns ein paar Mal um den Hals, machten noch ein paar Bilder und dann ging ich in die Richtung „meines“ Blocks, und ließ mich dann von dem Strom treiben.

Ähnlich wie im Maracanã gibt es im Soccer City keine Treppen, sondern so sehr breite serpentinenähnliche Aufgänge. Und zwar schon innerhalb der Stadionsverkleidung. Finde ich persönlich viel praktischer als die ätzenden Treppenhäuser an der Arena auf Schalke. Jedenfalls waren auch die natürlich voller Menschen.

Oben suchte ich mir dann den Block frei aus, wählte einen Eingang mit meinem Geburtstag und endete unterm Dach gerade hinter dem Tor. Ein unfassbarer Blick. Noch war das Stadion nur so halbvoll, also setze ich mich irgendwo hin wo sonst niemand war und wartete, dass mich Leute von deren Plätzen verscheuchen. Aber es kam niemand. Bzw. kamen ziemlich viele, aber alle setzten sich irgendwie um mich herrum. Irgendwann saß ich mitten in einem knallevollem Block, in einem pickepackevollem Stadion.

Tatsächlich scheint sich niemand so genau für die Platzkarten zu interessieren. Du setzt Dich hin wo Platz ist. Und wenn Du zum Klo gehst, suchst Du Dir hinterher vermutlich einen neuen Platz. Das macht aber auch nix. Das passte zur Stimmung. Alle waren entspannt. Alle haben gesungen und getanzt und geschrien und gestikuliert und gelacht und alles. Ach ja, und Vuvuzelas gab es überall. Der Lärm war ohrenbetäubend. Toll.

Amakhosi vs. Buccaneers

Von all den Leuten, die ich in gut einer Woche Johannesburg kennengelernt habe, ist jeder einzelne Anhänger einer der beiden Mannschaften. Viele gar nicht so aktiv, und mit Fußball haben sie’s im Zweifelsfall auch nicht unbedingt, aber für eins der beiden Teams sind irgendwie alle.

Die Kaizer Chiefs tragen zwar gelb schwarz, trotzdem bin ich irgendwie zum Fan geworden. Irgendwie habe ich die ganzen Tage nur Anhänger von denen kennen gelernt. Die schienen mir sympathisch. Der Spitzname ist Amakhosi (Häuptling auf Zulu) und deren Motto ist „Love & Peace 4Life“. Und denen gelang in der 10. Minute das 1:0. Instinktiv bin ich aufgesprungen und habe mit den Leuten um mich rum gegröhlt und abgeklatscht und getanzt. Allerspätestens ab da war ich im Block voll akzeptiert.

Ständig saßen andere Menschen neben mir. Es war viel generell viel Bewegung im Block. Und eigentlich bin ich mit allen um mich rum ins Gespräch gekommen. Ich hab den Leuten erzählt, dass ich von weit weg komme und schon seit Jahren mal in dieses Stadion wollte. Und alle haben sich gefreut, dass ich da bin, als Zugereister sozusagen. Es ist natürlich schon etwas anderes, wenn jetzt einer aus der Gegend da allein sitzt oder eben einer von wo ganz anders. Ich wurde unfassbar gut von allen aufgenommen, quasi willkommen geheißen in deren Wohnzimmer.

Vom Spiel selbst hab ich ehrlich gesagt nicht viel mitbekommen, ich glaube die Chiefs haben ein 4-3-3 gespielt, es könnte aber ebenso gut eine 3er Kette gewesen sein. Ich war so hin und weg von der Atmosphäre, dass ich vom Spiel nur bruchstückhaft Dinge wahrgenommen habe. Ein unglaubliches Erlebnis.

Übrigens waren die Fans nicht getrennt oder sowas. Zum Teil saß links neben mir einer der Buccaneers, wie die Pirates sich nennen, und rechts neben mir einer der Chiefs. Darüberhinaus waren ziemlich viele Frauen im Stadion. Um mich herrum so etwa 40%, schätze ich, also deutlich mehr als bei uns.

Es blieb übrigens bei dem einen Tor. Die Chiefs gewannen das Soweto-Derby und holten den Cup. Und die eine Hälfte (gefühlt waren deutlich mehr Chiefs Fans im Stadion) sang und tanzte und jubelte und vuvuzelate und die anderen blickten ein bisschen trüb drein oder feierten einfach mit.

Carling Black Label Cup Champions

Mir wurde ja gesagt es sei das wichtigste Spiel des Jahres. Im Nachhinein, und das entblätterte sich für mich wirklich den Tag und die folgenden über, war es das wohl nur auf Grund der Begegnung. Denn auch wenn das hier ein Pokalfinale war, dann gab es gar kein Turnier vorweg. Ein Spiel in dem es um den Pokal einer Biersorte ging.

Eigentlich war es also ein Testspiel, kurz vor Saisonbeginn. Aber damit nicht genug, denn der sportliche Wert kann weiter hinterfragt werden. Denn die Kader wurden nicht von den Coaches bestimmt, sondern vom Publikum. Außerdem konnten Spieler per SMS Abstimmung ausgewechselt werden. Dezent absurd, würde ich sagen. Der Stimmung hat’s wie beschrieben keinen Abbruch getan.

Mehr zum eigentlichen Spiel gibt’s hier: Bild und Text

Von meinem Heimweg erzähle ich im letzten Teil.


1 Comment

Karsten in der Soccer City. Teil 1: Auf ins Stadion – Open Minded · September 3, 2017 at 11:18 am

[…] Teil 2: Im Stadion […]

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